Alpenqueerung mit Schneeschuhen… oder so ähnlich

Wenn ihr mal einen Hotelier im Inntal staunen sehen wollt betretet mitten im Winter sein Hotel und erklärt ihm, dass ihr keinen PKW-Stellplatz braucht, weil ich zu Fuß da seid. Jep zu Fuß! Gegen 12 Uhr in Stams aus der S-Bahn gestiegen beschloss ich zum Hotel zu laufen. 6 Stunden – ca. 14km. Das ganze Geraffel muss ich ja die nächsten Tage eh tragen – gutes Training und außerdem gibt es auch schlimmere Schicksale, als einen halben Tag durch winterliche Inntal zu laufen.

Warm up Tour bei bestem Wetter. Die Tourengeher reihen sich wie an der Perlenschnur hoch zum Joch. Ich habe jedoch schon den halben Morgen im Bach verbracht um irgendwie Wasser und Eis auf dem Sensor zu verewigen und bin daher spät dran. Statt der geplanten Tour nehme ich dann doch die Abkürzung zur Hütte und zum Bier – anstrengend wird es sicher noch früh genug.

Grau ist die Farbe des Tages. Nach einer überraschend angenehmen Nacht im Winterraum (ok eigentlich müsste es Winterhaus heißen) geht es runter nach Galtür und anschließend wieder hoch zur Jamtalhütte. Lang ist es und unspektakulär und grau. Manchmal fragt man sich ernsthaft, womit man so seinen Urlaub verbringt und dieser Tag ist definitiv so einer. Die Nebelglocke hängt über uns wir laufen ein konturloses Tal herunger um auf einer Langlaufloipe zu landen und anschließend bei Schneeregen auf einem Fahrweg gen Jamtalhütte zu laufen. Auf dem Gegenanstieg sehen wir erste kleiner Lawinen und gehen mit Sicherheitsabstand. Isolation: Wenn jemand von einer Lawine getroffen und verschüttet werden sollte können die anderen ihn wieder bergen.

Lawinenstufe vier. Gefangen in einer Festung, während um uns herum immer wieder kleiner Lawinen abgehen. Nichts geht mehr – wie beim Roulette. Dabei lockt herrliches Wetter zum Tourengehen. Wir beschließen den Tag auf der Hütte zu verbringen und Lawninenrettung und Spaltenbergung zu üben – kann man nicht oft genug machen.

Gipfeltour! Mittlerweile ist von unserer ursprünglichen Tour nicht mehr sehr viel übrig geblieben. Am Berg muss man es halt nehmen, wie es kommt und wenn dann auch noch die Welt im Tal verrückt spielt muss man jeden Tag neu abwägen was die Optionen sind und die beste Optionen heute ist die Breite Krone. Ein einfach zu erreichender 3000er der bei bestem Wetter die Königsetappe unsere stark angepassten Querung werden wird. Mit leichtem Tagesgepäck und bei angenehmen Temperaturen läuft sich die Tour bequem und bieten schöne Panoramen.


Grau schon wieder. Aber diesmal richtig. Manchmal ist nichts auch eindrucksvoll. Grau oben, unten, links und rechts wir sehen über Stunden nur uns selbst. Es ist kalt, nass, windig, das GPS leitet uns den Weg immer wieder um zu prüfen ob wir noch auf der richtigen Route sind. Zeit sich zu mal wieder klar darüber zu werden, dass sich Querungen nicht unbedingt in der Komfortzone abspielen. Zeit aber auch Eindrücke zu sammeln, die vielen verwehrt bleiben. Die Jamtalspitze fürs persönliche Gipfelbuch nehmen wir noch mit. Kurz unterhalb des Jochs kommt dann die lang ersehnte Auflockerung. Vor uns liegen die Engadiner Alpen in einem wolkenumwobenen Panorama. Piz Buin, rechts von uns, trägt eine konstante Wolkenfahne, während wir zu Tuoihütte absteigen. Welch ein Abschluss!

Von unserer letzten Hüttenübernachtung geht es schließlich bergab richtung Guarda. Grau – mal wieder.


Was bleibt:
Darüber was von dieser Tour bleibt muss ich nicht lange nachdenken: Dankbarkeit. Jetzt, ein paar Tage später als klar wird, dass dies der letzte Besuch in den Bergen für nicht absehbare Zeit gewesen sein könnte, kann ich mich nichts als dankbar schätzen diese Tour gemacht zu haben. Einmal noch Kälte, Höhe, Gipfel und Hütten erlebt zu haben – vielleicht für längere Zeit. Natürlich kam alles, wie eigentlich immer, anders als Gedacht – diesmal aber ganz anders. Aber trotz allem haben wir gute Entscheidungen getroffen und hatten eine schöne Tour mit tollen Momenten.
Je turbulenter die Zeiten, desto wertvoller sind diese Erinnerungen.