Slí Uíbh Ráthaigh

Wir sitzen im Bus auf dem Weg zum Slí Uíbh Ráthaigh dem Kerry Way. Stundenlang zieht Irlands Grün an uns vorbei. Als ich, es müsste so gegen 9 Uhr abends gewesen sein, schon nicht mehr so recht dran glaubte heute noch irgendwo anzukommen, fuhr der Bus über eine Kuppe und gab die Sicht auf sie frei. Die Macgillycuddy’s Reeks. Im Schimmer der blauen Stunde lagen sie vor uns. Endlich im Zielgebiet angekommen und das bei bestem Wetter.

 

Durch den ältesten Eichenwald Irlands geht es hinauf in die Hochebene zwischen Killarney und Kenmare. „Fingers crossed!“ das gaben uns zwei ältere Irinnen, die auf dem Weg trafen mit auf den Weg, als sie von dem Vorhaben hörten, dass wir in den kommenden Tagen den Kerry Way von Killarney weiter laufen wollen. Fingers Crossed, dass alle Wetterberichten die wir gehört und gelesen haben nicht stimmten und es weiter sonnige Tage geben wird, wie unseren ersten auf dem Weg nach Kenmare. (Wir hatten beschlossen den Kerry Way in die entgegengesetzte Richtung zu laufen)

 

Natürlich brachten alle „Finger crossings“ nichts: Es regnet. Stunden lang. Ich laufe entlang des Kenmare Bay und müsste die Beara Halbinsel sehen können. Aber ich sehe nur grau und das auf mehr als 30 Kilometern nach Sneem. Erschöpft und komplett durchnässt komme ich dort an. In einem Kiosk frage ich nach einem Campingplatz. Die Informationen im Internet waren vage. „Just ask Shean he is right across the street in the pub.“ Shean ist Pub- und Caravan Campingplatzbesitzer und ein echter Ire, was ich daran merke, dass ich vor allem daran merke, dass ich zunächst kein Wort von seinem englischen Slang verstehe. Seine Antwort auf die Frage, was denn die Nacht in seinem „Vorgarten“ kosten würde, war: „There will be some music tonight. Just come over, have a pint with us and tell your story. That would be enough for me.“ And so I did. Meine ungewöhnliche Trekkingkleidung führte schnell dazu, dass ich mit den Menschen im Pub ins Gespräch kam. Wanderer scheinen hier eher die Ausnahme zu sein.

 

Regen und Regen und Wind und ein paar Schafe. Warum mache ich das hier eigentlich? Ich muss ja nicht weit kommen. Die 16 Kilometer sind eine leichte Aufgabe im Gegensatz zur gestrigen Etappe. Ich lasse mir Zeit, mache lange Rast und siehe da am Abend hört der Regen auf und es kommt sogar die Sonne raus. Die Ruine einer Hütte verleitet mich dazu, ihren Schutz als Campingplatz zu nutzen. Die Abendsonne trocknet meine Karten und ich mache es mir auf der Mauer bequem und genieße die Stille und Einsamkeit und den Blick auf den Atlantischen Ozean über der Stadt.

 

Derrynane Beach ca. 7:45 Uhr morgens. Ein Sandstrand, wie aus dem Bilderbuch. Unberührter Sand, leichte Brandung, Hügelketten im Hintergrund. Der Wind bläst die Wolken über die Szene und formt ein großartiges Ambiente. Ich kann mich kaum von der Szene trennen, muss aber weiter, da ich keine Unterkunft in meinem Zielort Waterville habe und Campen dort unmöglich ist. Je früher ich dran bin, desto höher ist die Chance noch ein Bed and Breakfast zu ergattern. Entlang der Küstenlinie geht es auf einem der schönsten Teile des Kerry Ways über klippiges Gelände mit Blick auf kleine Häfen und grüne Weiden. Bei einer sehr herzlichen, älteren Dame finde ich in Waterville eine Unterkunft inklusive dem berühmten „Full Irish breakfast“.

 

Gestärkt geht es in Richtung Cahersiveen auf mehr als 30 Kilometern. Doch nach einigen Kilometern stecke ich regelrecht fest. Ich habe mich durch unzählige Tore zu Weidezäunen gearbeitet doch nun stehe ich vor einem geschlossenen. Hinter mir taucht ein Bauer auf, den ich von weitem schon gesehen habe. Er hat einen ziemlich großen Hund dabei und ich beginne zu ahnen der Kerry Way ist das hier nicht mehr. Statt einer Standpauke, was ich denn auf seinem Land verloren hätte meint er nur, er muss mal unbedingt bei den Organisatoren des Weges anrufen und sie bitten da unten noch ein Schild anzubringen, da ich nicht der erste sei, der sich hier verirrt. Er begleitet mich über sein Land und zeigt mir den Weg zur zum Kerry Way. Dabei erzählt er mir, dass er mir, dass er mal in Dublin was mit Versicherungen gemacht hätte, ihm das Stadtleben aber auf die Nerven gegangen ist und als er das Land geerbt hat, ist er kurzer Hand hier hergezogen. Er regt sich über den Golfplatz auf und über die Golfer die mit dem Helikopter eingeflogen werden, aber eigentlich wirkt er wie in seinem Element. Über welliges Land geht es weiter nach Cahersiveen. Es zieht sich ganz schön und ist bereits weit nach acht, als ich auf dem Campingplatz ankomme. Zeltwanderer, die mir entgegenkamen, haben den Platz schon in den höchsten Tönen gelobt und sie haben nicht übertrieben.

 

Eigentlich ist es nur ein kleiner Hügel und ob wir jetzt unter herum oder geradewegs drüber gehe, ist ja eigentlich egal. Dachte ich und war es auch abgesehen davon, dass wir drei Stunden mit Auf-, Absteigen und staunen verbracht habe. Stauenen darüber, dass eine Wolke im Bereich von wenigen 100 Metern so viel Wasser verlieren kann, dass man quasi geduscht ist, während darum herum die Sonne scheint. Der weitere Weg nach Glenbeigh ist geprägt von einer Straße. Immer gerade aus. Über einen Pass geht es aussichts- und abwechslungsreich hoch über dem Dingle Bay weiter. Abwechslung verschaffte uns auch das Wetter; inklusive einiger kalter Duschen.

 

 

Eigentlich war es ja das große Ziel. Carrantuohill – the top of Irland mitten in den Macgillycuddy’s Reeks und eigentlich mussten wir da jetzt hoch. Nur dummerweise ist es immer noch kein stabiles Wetter und die Reeks strecken ihre Nasen in die Wolken und für morgen ist mal wieder Dauerregen angesagt. Zu gefährlich und keine Genusstour. So gehen wir nicht in den Carrantuohill Horseshoe über den wir eigentlich aufsteigen wollten, sondern folgen weiter dem Kerry Way durch Urwald und steile Pässe in das Black Valley, was seinen Namen dadurch erhalten hat, dass es als letztes an das Elektrizitätsnetz angeschlossen wurde. Angesichts des bevorstehenden schlechten Wetters buchen wir ein Bed and Breakfast, welches hätte schöner nicht sein können.

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Nach dem in den Bed and Breaksfasts obligatorischen Full Irish Breackfast geht es mal wieder hinaus in den Regen. Wir laufen durch eine großartige Bergszenerie – glaube ich. Sehen kann man davon wenig, weil alles mit grauen Wolken verhangen ist und es regnet ohne erbarmen.

 

Wir suchen nach einem halben Wandertag Unterschlupf in einer Jugendherberge. Bei dem Wetter hat es einfach keinen Sinn den Weg „abzulatschen“ vielleicht wird es ja morgen besser. Zuerst gilt es aber den Tag und die Nacht in einem der schäbigsten Etablissements, das ich je betreten habe zu überstehen.

Finale! Nach acht Tagen auf dem Kerry Way gehts durchs Black Valley zurück nach Killarney. Wir verlassen Irlands „alpinste“ Region wieder und nähern uns Killarney wieder auf bereits bekannten Wegen. Da der Kerry Way keine perfekte Runde ist, ist das erste Stück gleich dem letzten. Nur haben wir auch heute wieder eher wechselhaftes Wetter.

Was bleibt:

Carrantuohill wir haben noch eine Rechnung offen! Nur etwas über 1000 Meter hoch klingt es wie ein Leichtes den höchsten Berg Irlands zu besteigen. Überwiegend wegloses Gelände und unvorhersehbare Wettersituationen machen die Tour jedoch nicht immer so einfach. Ich werde auf jeden Fall wieder kommen und die Macgillycuddy’s Reeks traverse laufen.
Was natürlich bleibt sind die Landschaften, durch die ich in den Tagen gelaufen bin. Von Landstraßen über Pfade und Strandwegen bis zu alpinen Steigen ist auf dem Kerry Way alles vertreten, was sehr abwechslungsreich ist. Allerdings bleiben auch die teilweise extrem langen Etappen. 35 Kilometer mit Trekkinggepäck wollen erst mal weggesteckt werden.
Ansonsten bleiben die Pubs, Pints und die Livemusik. Kein Abend im Pub ohne einen Musiker oder einen Band und kein Abend ohne „Country Roads“.  Einen passender Soundtrack zu der Reise und dem Album liefert die Band  Cúig ab, dessen Irish Folk direkt aus den Pubs Dublins entspringt.
Als letzten bleibt die Irische Gastfreundschaft. Egal wie du aussiehst, egal wo du gerade herkommst, egal wie „durch“ du gerade bist, du bekommst ein Bett, (mindestens) ein Pint und die Geschichte, von dem mit dem du anstößt.