Dolomitenhöhenweg Nr. 8

Commodity Tour! Noch ein paar Tage die Sonne, Berge und Hüttenkultur genießen, bevor der Schnee kommt und bis Juni die Sommertouren unmöglich macht. Nach dem Wilden Kaiser letztes geht es dieses Jahr entlang des Dolomiten Höhenwegs Nummer 8 von Brixen nach Welschnofen. Eigentlich soll es eine entspannte Sommerabschlusstour werden, aber einen kleinen Klettersteig hier und da wollen wir dann doch einbauen und so haben wir das große Gepäck dabei: Klettersteigset, Helm, den dicken Schlafsack, die Steigeisen – und wir werden es brauchen.

Anscheinend sind wir nicht die einzigen, die noch ein paar schöne Tage in Südtirol verbringen wollen und so werden aus sechseinhalb ungefähr zwölf Stunden Fahrzueit. Ein Aufstieg zur ersten Hütte ist nicht mehr möglich und so müssen wir unser Tour am ersten Tag umplanen und eine Unterkunft suchen.

Morgens 7:00 Uhr, das ganze Tal ist in Nebel gehüllt. Wir fallen früh aus unseren Hotelbetten. „Aufi gehts!“ aus der dicken Nebelsuppe in die Sonne und auf den Skihügel Brixens, den Plose. Zunächst ganz unzünftig mit der Bergbahn, da wir aber am Vortag relativ viel Zeit verloren und noch viel vor haben. Wolken unter, Sonne über und die Geislerspitzen vor uns. Scheiß auf zwölf Stunden fahrt dafür hats sich schon gelohnt!
Aber wir müssen wieder Runter in die Suppe – und auf der anderen Seite wieder hoch. Übers Kreuzjoch gehts zum Peitlerkofel. Der Nebel verzieht sich, Kaiserwetter! Nur so ganz Rund läufts noch nicht. Die ersten Tage im Gebirge sind immer hart. Es ist Sonntag und gefühlt halb Südtirol am Berg. Gut das wir so spät dran sind, wir haben den Klettersteig oder besser gesagt das Klettersteigchen zum Peitlerkofel und den Gipfel fast für uns. Wir lassen den Blick über die herbstliche Szenerie unter uns schweifen und machen uns auf den Weg zu Schlüterhütte, da die Dämmerung einsetzt. Das Hüttenessen ist hervorragend und wir werden noch mit einem kitschigen Bilderbuchsonnenuntergang belohnt, bevor es in Lager geht.

Nächster Morgen. Im Lager ist es eiskalt, aber mein Schlafsack hat gute Dienste geleistet und die Nacht war angenehm. Nach dem Hüttenfrühstück ghets auf zur Regendsburgerhütte. Szenenwechseln: Im gegesatz zu gestern überziehen nun Wolken die Szene über wie auch unter uns. Mystische Bilder ergeben sich wo sie den Blick auf das Massiv um uns herum freigeben. Die lichten Augenblicke werden weniger und im Aufstiege zur Roascharte merken wir, wie die Temperatur stetig fällt. Kurz vor der Scharte ereichen uns die ersten Schneeflocken. Dick eingepackt steigen wir hinab. Es ist gewöhnungsbedürftig nach den warmen Temperaturen des Vortages nun Schnee unter den Schuhen zu haben und nach den zahlreichen Menschen nun vollkommen alleine des Weges zu gehen. Im Abstieg ist es totenstill; kein Wind und kein Tier macht ein Geräusch nur unsere Schuhe im Schnee und unser Atem ist zu hören wir gehen in melncholischer Stille unseren Weg. Trotz der kurzen Etappe – wir sind schon gegen 14:00 Uhr auf der Hütte – sind wir seltsamerweise erschöpft. Der Wetterumschwung fordert wohl seinen Tribut.

Es hat fast die gesamte Nacht weiter geschneit. Nicht viel aber für zirka 15 Zentimeter hat es gereicht. Eigentlich ist heute die Königsetappe geplant: Sas Rigais – die große Geislerspitze, über einen schönen Klettersteig auf 3025 Meter. Nachdem wir uns mit dem Hüttenwirt beratschlagt haben beschließen wir, dass die Tour unter diesen Bedingungen besonders im Abstieg zu gefährlich ist. Stattdessen gehen wir eine vorwinterliche Tour durch die Sielesscharte zum Col da la Pieres. Die leichten Steige lassen sich mit Steigeisen gut in Schnee und Eis gehen und die Aussicht auf die leicht verscheiten Berge um uns ist herlich. Durch die Pizzascharte geht es zurück zur Regensburgerhütte und mit dem Lift weiter nach St. Ulrich.

Vom Naturpark Puez Geisler geht es rüber zur Seiser Alm – und in die Touristenmassen mit Röckchen und Glitzerschühchen und zu den Liftbaustellen die die nächsten hunderttausend Touristen auf die Alm bringen sollen. Wir gehen zügig über die Alm und sehen, dass wir auf das Schlernhaus kommen. Die Frustation erhöht sich weiter als wir die Abzweigung zum schöneren Gamssteig verpassen und die Touristenautobahn hochkriechen müssen. Zumindest werden wir mit einem großartigen Sonnenuntergang belohnt, für den ich selbst den Kaiserschmarn kalt werden lasse und auf die kommenden Tage hoffe.

Endlich wieder ein Klettersteig. Im Sommer wohl einer der einfachsten Steige überhaupt erwies sich der weitestgehen waagerecht verlaufende Maximilianssteig bei Schnee und Eis als echte Herausforderung. Die Metalltritte sind mit Steigeisen nicht begehbar, die vereisten Flächen ohne aber spiegelglatt. Hinzu kommt, dass weite Stellen am Grat unversichert sind und so turnen wir eine gefühlte Ewigkeit über den Steig, nicht jedoch ohne die Tiefblicke links Richtung Seiser Alm und Lang- bzw. Plattkofel und rechts Richtung Tierser Alplhütte zu genießen. Nach kurzer Rast auf der Tierser Alpl geht es zur Grasleitenpasshütte von deren Ruf als einzigartige Hütte wir schon vorab einiges gehört haben. Komplett aus Holz in den Fels gebaut ist sie eine Hütte, wie man sie sich puristischer nicht vorstellen kann. Jeder Quadratzentimeter wird ausgenutzt und mit ihrer Lage zwischen steilen Felsen bekommt man ein wenige das Gefühl in Basecamp einer Expedition zu sein.

Heute geht es auf das (neue) Dach der Tour. Über einen einfachen aber aber langen Klettersteig auf den 3002 Meter hohen Kesselkogel. Wir haben dafür den gesamten Tag eingeplant und wollen abends wieder in die Grasleitenpasshütte zurückkehren. Bei Kaiserwetter kraxeln wir uns durch das einfache Gelände und genießen die Fernsicht am letzten sonnigen Tag. Genussklettersteigen! Durch die graue Mondlandschaft laufen noch hinüber zum Antermoia Haus und von dort über den Cima di Lausa und Antermoiapass zurück zur Grasleitenpasshütte.

Am letzten Morgen erwartet uns dicke Wolken. Es wird Regen, villeicht hier oben sogar Schnee geben meint der Hüttenwirt. Sie überlegen die Hütte schon heute zu zumachen. Andere Hüttengäste raten uns davon ab bei dem Wetter durch den Santner Klettersteig abzusteigen, da dieser zu vereist und rutschig ist. Wir steigen daher zur Vaiolethütte ab. Von dort geht es nochmals hinauf zum Zigoladepass. „Welcome to Mordor“ denke ich mir als wir vom Wanderweg hinauf zum Pass gehen. Die Wolken lassen teilweise kaum eine Sicht von 10 Metern zu, es ist windig und nasskalt. Eigentlich hätte ich mir einen sonnigen letzten Tag gewünscht aber auf der anderen Seite ist es eine ganz andere Erfahrung in dieser Stimmung durch die Berge zu laufen. Nach der Passwüberquerung merken wir wie es Meter für Meter freundlicher wird und die Wege in Richtung Karerpass besser werden bis wir schließlich bei Sonne unten am Pass sitzen und auf den Bus in Richtung Welchnofen warten.

Was bleibt: Was beleibt ist wie so oft auf alpinen Hüttentouren nicht nur das Wechselspiel aus Auf und Ab sondern auch aus Demut und Geborgenheit, Einsamkeit und Gesellschaft. Mal wandelt man über einfache Steige ohne große Anstrengung und tags darauf zeigt sich der Berg in all seiner Rauheit. Durch all diese Elemente zu gehen und sich ihnen anzupassen und sie zu erleben macht eine Hüttentour zu dem einzigartigen Erlebnis was sie ist.
Was leider aber auch bleibt ist die Erinnerung an eine ca. 16 stündige Rückfahrt. Durch Österreich sind wir quasi im ersten Gang gefahren, am Fernpass hätten wir während der Blockabfertigung locker einen Spatziergang machen können. Angesichts dieser Erlebnisse ist eine Regulierung des Verkehrs durch die Politik mehr als nachvollziehbar.